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Sol Stein: "Über das Schreiben"

Ein Exzerpt eines nützlichen Buches für den Kurzgeschichtenautor: Theorie wirkt manchmal belebend.
  Inhalt:
Sol Stein: Über das Schreiben (Stein on Writing), Zweitausendeins, 6. Auflage 2000, ISBN3-86150-226, gebunden, 441 Seiten, ca. 16 Euro

Sol Steins Buch über das Schreiben ist lesenswert. Es gibt dem Romanautor, aber auch dem Kurzgeschichtenschreiber etliche Tipps, die der Autor plausibel zu machen versteht. Aber es hat einen Nachteil: Es ist sehr weitschweifig. 430 Seiten. Es wäre wohl auch kürzer gegangen. Deswegen dieses Exzerpt.

Teil 1: Kapitel 1 bis 6
Zum Anfang
 
Sachliteratur versus Belletristik (Kapitel 1) Zum Anfang
Was ist der Unterschied zwischen Sachtexten und fiktionalen Texten? Stein sagt:
Sachliteratur vermittelt Informationen, fiktionale Literatur ruft Gefühle hervor.
Daran kann man sich festhalten: Man fragt: Welches Gefühl soll meine Kurzgeschichte hervorrufen? In der Regel sollte das nur ein einziges Gefühl sein. Ein möglicher Fehler ist, gar keine Gefühle hervorzurufen, weil man zu nahe an einem Bericht oder Tagebucheintrag bleibt. Ein anderer häufiger Fehler ist, die eigenen Gefühle zu beschreiben. "Selbst wenn wir Liebesbriefe schreiben, teilen wir eher mit, wie wir uns fühlen, als dass wir versuchen, beim Empfänger oder bei der Empfängerin eine Empfindung zu wecken." Das ist egoistisch. Also: Gefühle nicht beschreiben, sondern hervorrufen.

 
Der richtige Anfang (Kap. 2) Zum Anfang
Die ersten Sätze - maximal die erste Seite - entscheiden darüber, ob ein Leser eine Geschichte liest oder nicht. Wichtig ist dabei: Führt der Anfangssatz eine interessante Figur oder Handlung ein, über die wir mehr erfahren möchten? Löst der erste Satz eine bildliche Vorstellung von der Hauptperson aus? Könnte man in den ersten Satz etwas Ungewöhnliches einbauen, vielleicht etwas Schockierendes, oder etwas, was den Leser überrascht? Vielleicht ist es auch ein Konflikt zwischen zwei Hauptpersonen.

 
Willkommen im zwanzigsten Jahrhundert (Kap. 3) Zum Anfang
Narrative Zusammenfassungen sind nicht so spannend wie etwas unmittelbar Erlebtes. Leser von heute sind an Filme gewöhnt: Sie wollen das, was sie lesen, auch sehen. Wenn eine Szene nicht gefilmt werden kann, ist sie nicht unmittelbar.

"Martin drehte den Schlüssel zweimal im Schloss und ging zur Arbeit. Im Büro..." Der erste Teil des Satzes ist eine unmittelbare Handlung. Wir sehen Martin vor uns. Der zweite Teil ist eine narrative Zusammenfassung, wir werden dadurch nur zur nächsten Szene geführt, ohne dass ein Bild vor unseren Augen entsteht. Solche Überleitungen können nötig sein, aber man muss darauf achten, dass sie nicht überhand nehmen. Das einfachste Mittel, eine unmittelbare Handlung zu schreiben, ist der Dialog. Ziel muss sein, den Erzählfluss so selten wie möglich zu unterbrechen, oder besser: den Leser nicht aus einem Erlebnis heraus zu reißen. Informationen, die vom Autor stammen, statt durch die Protagonisten vermittelt zu werden, beeinträchtigen das Leseerlebnis. Diese Gefahr besteht besonders bei der auktorialen Perspektive.

 
Figuren, die etwas vorhaben (Kap. 4 bis 6) Zum Anfang
Stein plädiert dafür, mit den Personen - statt mit dem Plot - zu beginnen. Die Hauptperson soll sein: eine Person, die etwas bestimmtes will oder nicht will. Eine solche Person interessiert uns als Leser sofort. Ein angestellter Ingenieur mit kurzem braunem Haar interessiert nur mäßig, aber ein Angestellter mit dem Willen zur Macht, mit dem Ehrgeiz, um jeden Preis Abteilungsleiter zu werden, bringt Spannung ins Spiel, Neugier, ob er es schafft und wie, wer sich ihm entgegenstellt und so weiter.

Stein präzisiert:
Den meisten Menschen fällt es leichter, sich mit einem Wunsch zu identifizieren, den viele haben, und der nicht allzu ausgefallen ist.
Dies ist vor allem der Wunsch nach Geld, Liebe oder Macht. Das führt leicht zu interessanten Konflikten, die im "Idealfall" zu tiefem Leid, Schmerz oder Tod führen können.

Charakterisieren soll man die Person durch Handlung, oder durch das Gefühl, das die Person hervorruft.
Statt "Karl war ein großer, kräftiger Kerl" sollte man schreiben: "Wenn Karl auf einen zukam, hatte man das Gefühl, gleich von einem Lastwagen überrollt zu werden."
Statt Augenfarbe und -form zu beschreiben sollte man schreiben, wie die Person mit den Augen interagiert: Wendet sie den Blick sofort ab, oder starrt sie einen an? Die Gangart ist ein zweites wichtiges Element. Hasten, spurten, schleichen, springen, rennen, rasen: Jedes Wort ruft eine anderes Bild vor Augen.

Von Protagonisten verlangt Stein, dass sie starke Menschen sind, die handeln. Introvertierte Autoren neigen zu schwachen Helden, weil sie solche sympathischer finden. Aber auf den Leser können sie langweilig wirken. Leser wollen interessante, außergewöhnliche Menschen, am liebsten solche, die anders sind als alle anderen, denen sie bisher begegnet sind. Stein schreibt: Im Kern einer starken Charakterbeschreibung finden wir Exzentrität.

Andererseits: Auch Personen, die einen bekannten Charakterzug besitzen, diesen jedoch im Übermaß, sind interessant. In meiner Geschichte "Hans Joachim Klevert" wollte ich zum Beispiel einen extrem ordnungsliebenden, pedantischen Menschen schildern. Solche Menschen kennt wohl jeder, aber wenn das ganze extrem wird, wird’s interessant.

Die Handlung und vor allem die Spannung ergeben sich aus dem Konflikt zwischen dem Wunsch des Protagonisten und den Zielen eines Antagonisten.

Um die Spannung zu steigern, sollte man die Hindernisse, die sich dem Protagonisten entgegenstellen, immer größer werden lassen.

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