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Jack Bickhams Buch "Short Story"

Dieses Buch ist anders als andere Bücher über das Schreiben. Als praktische Anleitung für Autoren geschrieben, kann es Schreibgewohnheiten fundamental ändern. Eine Empfehlung.  
Jack M. Bickham: Short Story. Die amerikanische Kunst, Geschichten zu erzählen (Writing the Short Story. A Hands-On Program), Zweitausendeins, 1. Auflage 2002, ISBN3-86150-462-6, gebunden, 221 Seiten, ca. 13 Euro

Bücher, die dem ratlosen Hobbyautor sagen, wie man Kurzgeschichten schreiben sollte, gibt es viele. Die Autoren widersprechen sich, jeder sagt was anderes, und nach der Lektüre ist man oft so klug als wie zuvor. Wenn ich das Buch von Bickham empfehle, dann deshalb, weil es meine Art zu Schreiben verändert hat.

"A Hands-On Program"
Das Buch trägt im Original den Untertitel "A Hands-On Program", und das trifft es. Bickham geht es nicht darum, theoretische Einsichten zu vermitteln, sondern den Hobbyautor zum Schreiben anzuregen. Und bei mir hat er das geschafft. Bickham stellt dem Leser immer wieder Aufgaben und schreibt, man solle nicht weiterlesen, bevor man diese erledigt hat. Bei mir hat das etwas mehr als einen Monat gedauert. Da Bickhams System auf Karteikarten basiert, habe ich im Lauf dieser Zeit haufenweise Karteikarten ausgefüllt. Dazu später mehr.

Jeden Tag schreiben
Es sind vor allem zwei Dinge, die ich Bickham verdanke. Erstens die Einsicht, dass es wirklich wichtig ist, jeden Tag zu schreiben. Bisher habe ich fast ausschließlich am Wochenende an meinen Geschichten gearbeitet. Das kommt daher, dass ich berufstätig bin, hat aber den Nachteil, dass man sich immer wieder neu in eine Geschichte hineindenken muss und dabei immer wieder etwas verändert. Arbeitet man täglich an einer Geschichte, und sei es auch nur für eine halbe Stunde, läuft man nicht Gefahr, den Faden zu verlieren.

Karteikarten-System
Die zweite Einsicht, die ich dem Buch verdanke, ist, dass man eine Kurzgeschichte sorgfältig planen sollte. Bisher habe ich meine Storys relativ rasch niedergeschrieben, nachdem ich die Grundidee zu der Geschichte hatte. Ich hatte einfach Angst, den Einfall zu vergessen. Bickham plädiert stattdessen für ein Karteikarten-System: Einfälle und Beobachtungen werden auf Kärtchen geschrieben. Das hat den Vorteil, dass man nichts vergisst, und dass man die Karten leicht umordnen, ersetzen oder ändern kann.

Schreib-Ideen
Viele meiner Geschichten entstanden bisher aufgrund von Anregungen aus der Zeitung oder dem Radio. Oder weil mir jemand etwas erzählt hat, was mich fasziniert oder abgestoßen oder entrüstet oder sonst wie bewegt hat. Aber häufig hatte dieses Ereignis wenig mit meinen Gefühlen zu tun, oder ich habe diese Emotionen im Lauf der vielen Überarbeitungen vergessen.

Selbsterforschung
Bickham sagt dazu: Man sollte nicht über etwas schreiben, was nichts mit einem selbst zutun hat, was keine Gefühle in einem weckt. Die ersten Karteikarten beschriftet man deshalb, um seine eigene Gefühlswelt zu erforschen: Was oder wen mag ich gern, was hasse ich? Wo bin ich gern, welche Tätigkeiten verabscheue ich? Welche Charaktereigenschaften finde ich positiv, welche negativ?

Figuren-Karten
Dann beginnt man damit, für die Menschen, mit denen man zutun hat - Kollegen, Freunde, Bekannte, Familienmitglieder etc. - Karten anzulegen. Man schildert jeden mit ein paar Sätzen und gliedert die Karten in den Fundus ein. Und man notiert witzige Dialogfetzen aus dem Alltag. Daraus und aus den Eigenschafts-Karten entwickeln sich Figuren, die man für Geschichten verwenden kann.

Planung mithilfe von Karten
Anhand der Karten plant man die Geschichte ziemlich genau voraus: die Grundfrage der Geschichte, Schauplätze, Figuren, deren Ziele, Aussehen, Selbstbild, der Höhepunkt der Handlung, der Schluss. Dann plant man die einzelnen Szenen und die Übergänge dazwischen. So entwickelt man die Geschichte schrittweise, von einer Grundidee ausgehend, bis hin zu einem recht feinen Handlungsgerüst. Erst wenn man das fertig hat, wenn genau feststeht, welche Personen auftreten, welche Schauplätze man hat, wie die Geschichte endet usw., erst dann beginnt man die Geschichte zu schreiben. Man schreibt sie in einem Durchgang, macht nur noch wenige Korrekturen.

Überarbeitung
Nachdem man die Geschichte geschrieben und ausgedruckt hat, lässt man sie mindestens eine Woche lang liegen, wirft keinen Blick hinein. Nach der recht intensiven, wochenlangen Beschäftigung mit der Geschichte, fiel mir das recht schwer, aber ich habe mich daran gehalten. Nach einer Woche Abstinenz liest man die Geschichte, und zwar nicht wie ein Autor, sondern möglichst unbefangen, wie ein Leser, der die Geschichte zum ersten Mal zu Gesicht bekommt. Man liest nicht am Schreibtisch, mit dem Korrekturstift in der Hand, sondern auf dem Sofa liegend. So kann man beurteilen, ob sich die Geschichte flüssig liest, ob noch Lücken drin sind.

Sechs Wochen Arbeit
Nach etwa sechs Wochen Arbeit hatte ich das Buch durchgearbeitet und eine Geschichte geschrieben. Während ich bisher immer Geschichten mit rund 1.000 Wörtern geschrieben hatte, war diesmal eine 3.000-Wörter-Geschichte entstanden. Außerdem habe ich einen neuen Weg gefunden, Geschichten zu schreiben und gelernt, konzentrierter an meinen Storys zu arbeiten. Und ich habe einen Karteikasten, in dem noch mindestens zehn Storys stecken. Für mich hat sich das Buch also gelohnt. Vielleicht lohnt es sich auch für dich?
(Stefan Leichsenring)

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Letzte Änderung: Juni 2003

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