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Bäume für Sarajevo


Ein Schlagerstar macht sich Sorgen um den Krieg in Ex-Jugoslawien
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Hermann von Balbern sagte ja. Als bekannter Mann setzte er sich gerne für eine gute Sache ein. Er fühlte sich verpflichtet, seine Bekanntheit in der Öffentlichkeit für einen guten Zweck zu nutzen.

Der Präsident eines privaten Vereins hatte ihm am Telefon das Projekt "Bäume für Sarajevo" vorgestellt. Er hatte Erkundigungen über diesen Verein eingeholt, und da alles in Ordnung schien, hatte er schon im Oktober zugesagt. Mitte Dezember dann begann die Kampagne, von Balbern trat in Talkshows in Radio und Fernsehen auf, erduldete Interviews und erwähnte jedes Mal "Bäume für Sarajevo".

"Gerade jetzt zur Weihnachtszeit, wo in unseren Wohnzimmern ein Baum steht, sollten wir an die Ärmsten der Armen denken. Der Krieg im ehemaligen Jugoslawien hat Narben hinterlassen, Narben an Körper und Seele, aber auch in der Natur. Wir wollen deshalb mit Ihren Spenden in Sarajevo Bäume pflanzen."

"Warum Bäume? Wäre es nicht sinnvoller, den Menschen Unterstützung für ihr tägliches Leben zu geben?"

"Der Baum ist in unserer, der europäischen Kultur ein Symbol des Lebens. Vielleicht auch der Hoffnung: Der Baum wird gepflanzt, er wächst und gedeiht, er lebt oft länger als ein Mensch. Das ist ein Ebenbild der Zukunft Jugoslawiens. Die Bäume sollen den Menschen die Kraft geben, an die Zukunft zu glauben, statt in der Vergangenheit zu leben. Ich glaube, das kann mehr wert sein als Nahrungsmittellieferungen. Es ist gewissermaßen eine Hilfe zur seelischen Wiederaufrüstung. Hilfe zur Selbsthilfe."

Im Frühjahr wurden die Bäume gepflanzt, und die Kinder nutzten sie zum Versteckspielen im Park. Die überlebenden Hunde waren froh um die Alleebäume. Im darauffolgenden Dezember aber verschwanden die Bäume wieder. Die Leute in Sarajevo waren dankbar für die Spende. Es würde ein harter Winter werden.

(Dezember 1997)

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