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Göte

Ein überflüssiger Beitrag zum 250. Geburtstag. 

Goethe, Göte oder Göhte? Wie sein Name zu schreiben sei, da war sich der Jubilar nicht so ganz sicher. Heute kennt jedes Kind die richtige Schreibung des Namens. Dafür sind fast alle seine Werke vergessen... Das ultimative Göte-Special. 
München, 28. September 1999 - Heute würde er seinen 250. Geburtstag feiern: Johann Wolfgang von Goethe, neben Schiller unser Nationaldichter, der deutsche Dichterfürst. Das Etikett Dichterfürst hätte er eventuell akzeptiert, so blasiert wie der Herr Geheimrath auf vielen Portraits aussieht.

Aber Nationaldichter? Da hätte er Einwände gehabt, schrieb er doch schon vor zwei Jahrhunderten, dass mit Nationalliteratur "nichts mehr anzufangen" wäre. Er glaubte an die Weltliteratur. Und der "Faust", das wollen wir ihm lassen, der gehört doch wohl dazu, zur Weltliteratur. Der Stoff wurde von einem französischen Komponisten veropert und das Stichwort findet sich in ausländischen Lexika. Das Drama um einen deutschen Intellektuellen, wie MRR das Werk bezeichnet, ist auch den meisten Deutschen präsent. Habe nun ach - diese Verse kennt bei uns fast jeder. Für die anderen Werke aber interessiert sich wohl nur ein kleiner Kreis von Deutschlehrern und Germanisten.

Ich bin götemäßig ein völliger Ignorant, ich gebe es zu. Aber für mich hat Siegfried Lenz den heute verliehenen Goethe-Preis zehnmal mehr verdient als der Namensstifter...

Und das mit der Weltliteratur trifft auf Shakespeare auch viel eher zu als auf unseren provinziellen Göte. Wer hat mehr Opern vorzuweisen? Man denke nur an Verdi: Falstaff, Othello... Okay, Gustav Mahler hat Faust 2 vertont.

Und wie sieht es mit Filmen aus: Kenneth Branagh hat international gepunktet - wie sieht es mit Dieter Dorns Faust-Film aus? Plenzdorfs Werther? Wer kennt denn den Film? Auf wie vielen nicht-deutschsprachigen Bühnen wird Göte gespielt, und auf wie vielen nicht-englischsprachigen Shakespeare?

Göte selbst hat geglaubt, er sei als Naturwissenschaftler größer denn als Literat. Na denn, lassen wir ihm den Ruhm... Kümmern wir uns um die Gegenwart.

Die Gegenwart gehört den englischsprachigen Autoren. Shakespeare schrieb populäre Dramen, Göte langweilige. Die deutschen Autoren der Gegenwart werden international nicht gelesen, die englischsprachigen wohl.

Vor einiger Zeit habe ich mich mit einer Polin unterhalten. Wir sahen in einem deutschen Lexikon nach: Polnische Dichter kamen nicht vor. Sie war entsetzt. Genauso würde es einem Göte-Fan in England oder Amerika gehen. Kein Mensch würde ihn kennen. Und die neueren Deutschen? Grass? Böll? Lenz?

PS: Nach dem Nobelpreis, den Grass sich durch seine Blechtrommel sicher verdient hat, kennt man ihn wohl auch in den USA. Wie lange das anhalten wird, ob er auch gelesen wird, das sei dahin gestellt.

(Oktober 1999)

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